Der neue Lausitz Monitor - erläutert vom Autoren Jörg Heidig

Der neue Lausitz Monitor - erläutert vom Autoren Jörg Heidig

 Heute ist der neue Lausitz-Monitor veröffentlicht worden. Der Lausitz-Monitor ist eine jährlich durchgeführte, repräsentative Bevölkerungsbefragung zum Strukturwandel in der Lausitz. Die Ergebnisse sind hier zu finden sowie auch auf der Facebook-Seite zur Studie. Für Plusmimus.com hat der Prozesspsychologe und Studienautor Jörg Heidig einige der wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst. 

Zwischenzeitlich gestiegene Befürwortung der Energiewende in der Lausitz wieder rückläufig

Bezüglich der Energiewende konnten wir von 2020 auf 2021 eine Trendwende beobachten. Erstmals gab es in der Lausitz mehr Befürworter als Gegner der Energiewende. Auf die Frage, ob man grundsätzlich die Ziele der Energiewende befürworte, hatten 2021 über die Hälfte der Befragten (57 Prozent) mit "ja" geantwortet. 2020 waren es 45 Prozent. Der Anteil derjenigen, die die Ziele der Energiewende ablehnten, lag 2021 nur noch bei 26 Prozent, während er 2020 noch bei 38 Prozent gelegen hatte. Dieser Trend hat sich von 2021 auf 2022 wieder umgekehrt. Aktuell befürworten 44 Prozent der Lausitzerinnen und Lausitzer die Ziele der Energiewende, während 37 Prozent diese ablehnen. Damit entspricht das diesbezügliche Meinungsbild in der Lausitz wieder dem von 2020.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in Bezug auf den Kohle- und den Atomausstieg. Waren die Anteile der Bevölkerung, die beide Ausstiegsszenarien befürworteten, 2021 größer als die gegnerischen Anteile, haben sich auch diese Trends wieder umgekehrt. Der Atomausstieg wird 2022 nur noch von etwas mehr als einem Drittel der Bevölkerung befürwortet (35 Prozent). Damit liegt dieser Anteil sogar unter dem von 2020 (40 Prozent).

Der Zuspruch für den Ausbau erneuerbarer Energien bleibt nach wie vor hoch, auch wenn sich auch hier rückläufige Tendenzen zeigen. Haben sich 2021 beispielsweise neun von zehn Lausitzern (87 Prozent) für den weiteren Ausbau der Solarenergie ausgesprochen, waren es 2022 noch acht von zehn (81 Prozent). Bei der Windenergie ist der Zuspruch von 65 Prozent in 2021 auf 60 Prozent in 2022 zurückgegangen. Lediglich bei der Biomasse ist der Zuspruch fast gleich hoch geblieben (70 Prozent in 2021 auf 69 Prozent in 2022).

Lebenszufriedenheit in der Lausitz gleich hoch wie in Deutschland insgesamt

Um festzustellen, wie sich das Stimmungsbild in der Lausitz im Vergleich zu Deutschland insgesamt darstellt, haben wir in diesem Jahr neben 1000 Lausitzerinnen und Lausitzern noch eine weitere Befragung mit ebenso vielen Personen im gesamten Bundesgebiet durchgeführt. Wir haben zu den Fragen, die wir im Lausitz-Monitor gestellt haben, nun sowohl repräsentative Ergebnisse für die Lausitz als auch für Deutschland insgesamt. Dieser Vergleich ermöglicht uns genau festzustellen, an welchen Stellen sich die Stimmung in der Lausitz von der im gesamten Bundesgebiet unterscheidet und an welchen Stellen nicht.

Auch wenn möglicherweise viele Lausitzerinnen und Lausitzer etwas anderes vermuten würden: Die Lebenszufriedenheit der Lausitzer ist gleich hoch wie in Deutschland insgesamt (Durchschnittswert der Zufriedenheit auf einer Schulnotenskala in D: 2,8; in der Lausitz: ebenfalls 2,8). Lediglich beim Anteil der in Bezug auf das eigene Leben optimistischen Menschen liegen die Lausitzerinnen und Lausitzer mit 63 Prozent geringfügig unter dem entsprechenden Anteil in Deutschland insgesamt (66 Prozent). Die Zufriedenheit mit der persönlichen Lebenssituation ist in der Lausitz im Jahresvergleich von 2021 auf 2022 gleich geblieben.

Zufriedenheit mit der Situation in der Region geringer als im gesamtdeutschen Schnitt

Während die Menschen in der Lausitz mit ihrem Leben ebenso zufrieden sind wie die Leute in Deutschland insgesamt, sieht es mit Blick auf die Region anders aus. So ist der Anteil derjenigen, die meinen, dass die Situation in der Lausitz in den letzten 5 Jahren besser geworden sei, von 46 Prozent im Jahr 2021 auf 36 Prozent im Jahr 2022 zurückgegangen. In Deutschland insgesamt sind 77 Prozent der Menschen mit der Situation in ihrer jeweiligen Region zufrieden, in der Lausitz sind es mit 70 Prozent etwas weniger. Das macht sich auch auf der Schulnotenskala bemerkbar. Die Durchschnittsnote für die Zufriedenheit mit der Situation in der eigenen Region liegt in Deutschland insgesamt bei 2,8, in der Lausitz liegt sie bei 3,0. Sind im deutschen Schnitt 66 Prozent der Menschen optimistisch in Bezug auf die Zukunft ihrer Region, sind es in der Lausitz 58 Prozent.

Jüngere Frauen weiterhin die am wenigsten zufriedene Gruppe

Betrachtet man die Zufriedenheitswerte in Bezug auf die Region, so wird deutlich, dass die jüngeren Frauen wie bereits 2021 die am wenigsten zufriedene Gruppe bilden. Der Anteil der zufriedenen jüngeren Frauen in der Altersgruppe bis 39 ist von 2021 auf 2022 sogar noch einmal zurückgegangen. Sagten 2021 noch 37 Prozent, dass die Situation in der Lausitz besser geworden sei, taten dies 2022 noch 30 Prozent. Waren 2021 28 Prozent der jüngeren Frauen mit der derzeitigen Situation in der Lausitz zufrieden, waren es 2022 noch 26 Prozent. Bei den Männern der gleichen Altersgruppe sieht das Bild ganz anders aus: 2021 waren 47 Prozent der Männer bis 39 Jahre mit der Situation in der Lausitz zufrieden, 2022 sind es 45 Prozent.

Abwanderungsbereitschaft

Die Abwanderungsbereitschaft bleibt, über alle Altersgruppen hinweg betrachtet, im Jahresvergleich auf dem gleichen Niveau. 2022 gaben, wie bereits 2021, 10 Prozent der Lausitzer Bevölkerung an, in den kommenden beiden Jahren aus der Lausitz wegziehen zu wollen. In der Altersgruppe bis 29 Jahre sind es 45 Prozent, auch hier gab es von 2021 zu 2022 keinen Unterschied. In der Gruppe der 30-39 Jährigen ging die Abwanderungsbereitschaft von 12 auf 9 Prozent zurück, während sie in der Gruppe der 40-49 Jährigen von 6 auf 13 Prozent stieg. In den Altersgruppen über 50 (59-59 und 60+) liegt die Abwanderungsbereitschaft stabil bei 4 Prozent.

Überraschung bei den Wegzugsgründen

Wir haben diejenigen, die wegziehen wollen, in diesem Jahr nach ihren Gründen gefragt. Bei einigen der angegebenen Gründe hatten wir eine hohe Zustimmung erwartet, etwa beim attraktiven Lohn (mit 60 Prozent Zustimmung TOP 2 der Liste) oder bei guter Verkehrsinfrastruktur (mit 59 Prozent TOP 3). Was uns überrascht hat, war, dass "interessante Menschen kennenlernen" der am häufigsten genannte Wegzugsgrund sein würde (mit 63 Prozent Zustimmung TOP 1 der Liste). Zusammengefasst liest sich die Liste der am häufigsten genannten Wegzugsgründe so: attraktive Arbeitgeber mit guten Jobs, Löhnen und Karrierechancen, interessante Menschen, gute Infrastruktur und Freizeitangebote.

Fazit

Was lese ich als Autor der Studie aus diesen Ergebnissen? Und vor allem: Was bedeutet das praktisch?

Zunächst einmal gibt es trotz der vielen irgendwie "kritischen" Ergebnisse eine positive Nachricht: Wer hier lebt, ist zufrieden - und zwar genauso wie im Rest von Deutschland.

Das wirft zunächst ein Licht auf die wahrnehmbare politische Stimmung. Es ist meines Erachtens immer gut, die "wahrnehmbare Stimmung" mit einem objektiveren, also auf repräsentativen Umfragen beruhenden Stimmungsbild zu vergleichen. Dabei wird deutlich, dass die Stimmung in der Lausitz von wenigen, dafür aber sehr lauten Stimmen dominiert wird, aber - insgesamt betrachtet - keineswegs so negativ ist, wie es scheint.

Wenn die Leute einerseits mit ihrem eigenen Leben zufrieden sind, aber mit der Situation in der Region im Bundesvergleich weniger zufrieden sind, dann muss man sich fragen, woran das liegt - und was passieren müsste, um die Region zukunftsfähig zu machen. Hier liefert der Lausitz-Monitor einige konkrete Hinweise.

Wir haben den Befragten eine lange Liste von Faktoren zur Region vorgelegt und darum gebeten anzugeben, wie wichtig ihnen der jeweilige Faktor ist und wie zufrieden sie momentan mit dem jeweiligen Faktor sind. Die Punkte, bei denen die Wichtigkeit mit der Zufriedenheit übereinstimmt, sind quasi die Stärken der Region, und jene Punkte, bei denen sich eine starke Abweichung zwischen Wichtigkeit und Zufriedenheit ergibt, sind die Schwächen der Region.

Stärken:

- wohnortnahes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen

- wohnortnahes Angebot an Spielplätzen

- Nähe zu Freunden

- gutes Angebot an attraktiven Bauflächen

- attraktive Naherholungsmöglichkeiten

Schwächen (Wichtigkeit minus Zufriedenheit)

1. attraktive Löhne

2. Lebenshaltungskosten

3. leistungsfähige Kommunen

4. gutes Angebot an Arbeits- und/oder Ausbildungsplätzen

5. guter öffentlicher Nahverkehr

6. gutes Angebot an attraktiven Arbeitgebern

7. Öffentliche Sicherheit und Ordnung

8. politisches Klima

9. wohnortnahe medizinische Versorgung

Natürlich ist die Schwächen-Liste länger als die Stärken-Liste. Aber aus unserer Sicht wird vor allem deutlich, dass es nicht die "zwei oder drei Dinge" gibt, die Politik tun kann, um die Situation wesentlich zu verbessern. Im Gegenteil: Um den Strukturwandel voranzubringen, braucht es eine klare, von vielen geteilte Vision von der Zukunft der Lausitz, mehr Kooperation zwischen Landkreisen und zwischen den beiden Bundesländern und mehr Kommunikation. Es wird deutlich, dass Politik nicht alles beeinflussen kann, aber was Politik tun sollte, um wesentliche Effekte zu erreichen: enger mit Unternehmen zusammenzuarbeiten zum Beispiel und dafür zu sorgen, dass junge Frauen in der Lausitz auch andere Karrierewege sehen als die allzu erwartbaren (Pflege, Erziehung, Verkauf, Verwaltung).

Wir sehen darin vor allem eine Kommunikationsaufgabe, denn diejenigen, die hier leben, sind zufrieden. Es geht um die Art, wie wir darüber reden, und um die Bilder, die wir von der Zukunft der Lausitz haben.

Unser Hoffnungsschimmer: Die brandenburgischen Lausitzerinnen und Lausitzer sind deutlich positiver gestimmt als die sächsischen. Ein Anfang wäre, enger zusammenzuarbeiten, sich in Sachsen zu fragen, was in Brandenburg bisher anders gelaufen ist, ein gemeinsames Bild von der Zukunft zu entwickeln und die einmaligen Chancen, die der gegenwärtige Geldsegen birgt, gemeinsam besser zu nutzen.

Text und Fotos: Jörg Heidig

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