Der letzte Kreistag – eine besondere Laudatio auf unseren „Ermöglichungslandrat“

Der letzte Kreistag – eine besondere Laudatio auf unseren „Ermöglichungslandrat“

 Der letzte Kreistag – eine besondere Laudatio auf unseren „Ermöglichungslandrat“ 

Der letzte Kreistag am 15. Juni 2022 war auch der letzte von Landrat Bernd Lange. In einer kurzen, aber sehr persönlichen emotionalen Rede verabschiedete er sich von dieser großen, für den Landkreis so wichtigen Bühne u.a. mit den Worten: “Sie müssen die Menschen gemeinsam begeistern, ihnen zuhören, mit ihnen diskutieren und nichts versprechen, was sie nicht halten können“. 

Der Kreistag selbst fand in einer gemeinsamen Laudatio durch Thomas Pilz (Kreisrat Bündnis 90/ Die Grünen), der im Namen des Ältestenrates des Kreistages Görlitz für alle Fraktionen sprach, sehr persönliche Worte der Erinnerung und des Dankes, die wir hier, auch als unser Zeichen unserer Wertschätzung und Dankbarkeit sehr gern als Gastbeitrag im Originalwortlaut wiedergeben:

Sehr geehrter Herr Landrat, lieber Bernd Lange

Du hattest uns als Fraktionen im Ältestenrat gebeten, nach Deinem Rückblick keine Koreferate zu halten. Daran halten wir uns: Nicht fünf verschiedene Koreferate, sondern eine kurze Rede für alle Fraktionen zusammen - die Wahl fiel auf mich, weil wir uns seit Bestehen des Kreistages Görlitz kennen und somit 14 Jahre miteinander das politische Leben in diesem Landkreis teilen. Ich habe mich darüber gefreut, in so einem würdigen Moment für das ganze Haus hier sprechen zu dürfen und gleichzeitig bei der Vorbereitung gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist, die richtigen Worte zu finden. Was sagt man jemandem, der 10 Jahre älter ist, der der CDU angehört, mit der ich als Bündnisgrüner nicht so selten verquer lag und immer wieder liege? Als wir 2008 erstmals als Delegationen aus den zu fusionierenden Landkreisen Lö-ZI, NOL und Stadt GR zusammenkamen, war noch nicht klar, ob Du der Landrat des neuen Landkreises werden würdest. Unterstützt aber hast Du als NOL-Landrat, dass den Kreisräten für ihre Arbeit Ressourcen zur Verfügung stehen müssen. Das klingt heute eher banal, war aber damals alles andere als selbstverständlich. 

Das Verhältnis zwischen Dir als Landrat und uns als Kreisräten war konstruktiv, manchmal schwierig und auch angespannt - aber immer von Respekt und Achtung geprägt. Du wusstest, wie wichtig der Kreistag nicht nur für die Beschlüsse und damit Handlungsfähigkeit der Verwaltung ist, sondern auch als Transformationsriemen in die die Landkreisgesellschaft hinein und in die Verwaltung zurück von Bedeutung ist: Kreisräte müssen in der Lage sein, Politik zu erklären, unabhängig davon, ob sie dafür oder dagegen sind. Und: sie müssen ihre Anträge, die Dir das Handeln vorgeben, erarbeiten und stellen können. Nicht nur formell, nach dem "GO" - sondern auch inhaltlich. Das setzt Augenhöhe voraus - und die hat es bei allem Streit und manchem emotionalen Ausbrüchen immer gegeben. Eine Augenhöhe, die uns in den letzten 10 Jahren bei den meisten Haushaltsfragen sehr eng zusammenstehen lassen hat, als Kreistag und Verwaltung. Diese Geschichte ist nicht zu Ende, sondern steuert mit der aktuellen Klage gegen den Freistaat erst ihrem Höhepunkt entgegen. 

Ich meinte in diesen Jahren auch immer wieder zu spüren, in welchen Konflikte Dich das Wissen um die Benachteiligung des Landkreises beim Finanzausgleich auf der einen Seite und Deine Loyalität der eigenen staatsragenden Partei gegenüber gebracht hat. Die Geschichte, dass Du vor Jahren in den Fluren des sächsischen Finanzministerium ein Sit-in veranstaltet hast und erst gehen wolltest, wenn er Landkreis mehr Geld bekommt, mag sich so nicht abgespielt haben. Ihre Verbreitung erzählt aber, auf welcher Seite Du immer gestanden bist  - auf der des Landkreises. 

Ein zweites, Bernd: 

Ich habe Dich in den 14 Jahren immer als einen dienenden Politiker erlebt. Du hast klare Vorstellungen, wohin Du willst, Subsidiarität gehört aber zu deinem Handwerkszeug. Und in diesem Sinne habe ich Dich in mir schon vor längere Zeit als den „Ermöglichungslandrat“ getauft. Ich fand und finde es beindruckend, wie Du mit neunen Ideen, Ansätzen und Initiativen umgehst. Sie immer erst einmal versuchst loslaufen zu lassen, zu ermöglichen, dass sie funktionieren, ein Scheitern nicht ausgeschlossen. Von dieser Führungsqualität brauchen wir mehr, wenn wir diese großen und vielen Herausforderungen in den nächsten Jahren bestehen wollen. Das sind nicht nur Projekte im weiteren Sinne. Auch politische Anliegen, selbst wenn Du sie nicht geteilt hast, hast du auf faire Art und Weise ermöglicht. Ich erinnere an Dinge, die wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben: die Kulturförderung im Landkreis, die Zukunftswerkstatt zum Kohleausstieg aber auch die Herrnhuter Bahn, wo wir bis heute unterschiedlicher Meinung sind, deren Alternativen aber nach wie vor im Rennen sind. Und vom Ermöglichungslandrat bin ich auch recht schnell beim Kulturlandrat: Nicht nur die Kulturleute unter uns werden mir sicher zustimmen. Welch ein Glück für die Oberlausitz, mit Bernd Lange in den letzten 21 Jahren (so lange kennen wir uns eigentlich schon) einen Kulturpolitiker an der Spitze der Verwaltung im Landkreis und im Kulturraum zu haben! Ich kann das gar nicht hoch genug schätzen, dass Du in einer Gemengelage, die jederzeit das Aus für nicht wenige bestehende und schon gar keinen Start für neue Kultur ermöglicht hätte, deine hauptamtlichen politischen Ämter verlässt mit einer stabilen, in der Vielfalt und Dichte für einen ländlichen Raum einzigartigen Kulturlandschaft in Deutschland. Hierfür danke ich dir auch ganz persönlich, habe ich diese Kämpfe und Auseinandersetzungen als Kulturbeiratsvorsitzender persönlich sehr nah erlebt (auch da haben wir uns manchmal hart angefasst). 

Das meiste war und ist Dir möglich, weil Du gute Leute an Deiner Seite hast. Es ist mir ein Bedürfnis als Vertreter des Kreistags Deiner Frau und Deiner Familie zu danken. Es ist nicht so, dass die Belastungen, die so ein Amt mit sich bringt, nicht in die persönlichen familiären Beziehungen hinein wirken. Wer das behauptet, hat kein menschennahes Politikverständnis. Umgekehrt heißt das aber, dass Deine Familie Dir oft beigestanden hat, den Rücken frei gemacht und mitgetragen hat. Dafür danken wir ausdrücklich. Wir danken aber auch denen, die die vielen Jahren deiner Amtszeit an Deiner Seite waren: den Beigeordneten, Dezernenten und Amtsleitern. (ich weiß, dass sie noch nicht gehen, aber kein guter Landrat ohne gute Mitarbeiter).

Ich muss zum Schluss kommen, obwohl es noch soviel so zu sagen gäbe: z.B. dass Du gerade in den letzten Jahren Deiner Amtszeit Dir die großen Herausforderungen (Stichwort Strukturwandel, Corona, Flüchtlinge, Finanzkrise, Schweinpest) nicht ausgesucht hast, ihnen aber mit hochgekrempelten Ärmeln begegnet bist und sie bis heute souverän meistert. Was aber noch zu sagen ist: mit Dir verlässt ein Quereinsteiger die Kommunalpolitik. Einer der letzten, die 1990 in den Ring der Demokratie gestiegen sind und ihren Beitrag für eine freie Gesellschaft mit freien Menschen leisten wollten. Nach Dir kommen die Berufspolitiker... Das heißt, mit Dir verlässt auch eine politische Generation die hauptamtliche Bühne, die die Abwesenheit der Demokratie, die die Unfreiheit sehr persönlich kennen. Du hast mit deiner Biografie etwas im Werkzeugkoffer, was uns in Zukunft in dieser Selbstverständlichkeit fehlen wird und erinnert werden muss.  

Ein Letztes: 

Ich beherberge in meiner Kulturfabrik viele Gäste, die neugierig sind und wissen wollen, wie es so ist hier zu leben. In der letzten Zeit erzähle ich immer wieder zwei Geschichten: Wir sind eine Kohleausstiegsregion und haben uns eine Zukunftsstrategie erarbeitet. Lausitz 2050 - da steht drin, wie wir idealerweise unsere regionale Entwicklung mit der Lösung der anstehenden Menschheitsfragen verbinden wollen. Herausgekommen ist die Vorstellung einer sehr lebenswerten modernen ländlichen Region in der Mitte Europas, um die uns viele beneiden. 

Und ich erzähle ihnen, in welcher atemberaubenden Geschwindigkeit die Zivilgesellschaft nach dem 24. Februar in der Lage war und ist mehrere tausend Flüchtlinge aus der Ukraine freundlich und empathisch aufzunehmen. 

Beides, Bernd, erzählt etwas von dem Landkreis, den du nach 14 Jahren Führung hinterlässt. Dafür gilt Dir mein ganz persönlicher Dank und der Dank der Kollegeninnen und Kollegen Kreisräte.

PS: Wir haben auch an ein Geschenk gedacht. Aber mit den Erfahrungen zu Deinem 60. Geburtstag ziehen wir es vor, erst nach deinem Ausscheiden aus dem Amt auf ein Bier zu Dir zu kommen und Dir dann den Gutschein, so viel sei verraten, für einen Rundflug über den Landkreis zu überreichen. Wir kommen also noch mal vorbei. 

Thomas Pilz

Kreisrat Bündnis 90 / Die Grünen

im Namen des Ältestenrates des Kreistages Görlitz

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