Strukturentwicklung
"Wir haben den ganz großen Luxus bei uns im Landkreis - das NICHTS!"
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Hallo!
Vielleicht hat jemand unter Euch ja schon die Einladung zum Workshop: "NICHTS NUTZEN" erhalten oder in den Sozialen Medien entdeckt?
Und sich eventuell auch etwas gewundert: das ENO-Innovationsteam und eine Tiertherapeutin laden zusammen auf eine Lichtung, in einem Wald im Norden, bei Boxberg?
Wir stellen die Gastgeberin Lisa Kiessling, ihren Hintergrund und ihre Beweggründe für diese Einladung heute vor!
Hallo, Lisa! Du kommst von hier, warst zum Studium in der Welt und bist nun wieder hier – als Coach und Therapeutin hast Du Deinen eigenen Hof und arbeitest aktiv mit Menschen und Tieren. Dort arbeitest Du in Deinen Berufen als Pädagogin, Fachkraft für tiergestützte Therapie und Interventionen, Familienbegleiterin, Mentorin, Pferdegestützter Coach und als Psychotherapeutin KJP (i.A.). Wow!
Kannst Du uns zunächst ein wenig über Dich berichten? Wieso hast Du Dich für den Lebensmittelpunkt im Landkreis Görlitz entschieden, nachdem Du schon die Luft der großen weiten Welt geschnuppert hast? Viele junge Frauen wollen laut Lausitz Monitor weg von hier – Du aber bist zurückgekommen und hast Dir und anderen Menschen hier etwas aufgebaut…!
Ja, das habe ich. Und es war nicht immer einfach! Es gab Zeiten, da hätte ich mir gewünscht, mit goldenem Löffel im Mund geboren zu sein – aber das bin ich nicht. Mein Hof – und auch die Lichtung, auf die ich zum Workshop einlade – ist kein Familienerbgrund. Ich musste schnell lernen: wenn ich etwas möchte, dann muss ich was tun. Als Görlitzerin und Rückkehrerin kann ich sagen, dass es gesund ist, wenn man in der Jugend in die Welt geht, um dann bewusst wiederzukommen. Ich habe studiert und habe eine Ausbildung als Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche gemacht, das waren nach dem Studium nochmal fünf Jahre – eine totale Power-Zeit. Dann sah die Ausbildung vor, dass ich ein Jahr in einer Psychiatrie arbeiten sollte - das habe ich in Großschweidnitz gemacht. Das war ein guter Ansatz um wiederzukommen – meine Familie ist noch hier, trotzdem wollte ich erstmal nur ein Jahr bleiben. Dann habe ich, natürlich auch mit den Erfahrungen und Eindrücken der Welt da draußen, festgestellt, wie schön das hier ist.
Wie hast Du Dich für Deine Berufe entschieden? Menschen helfen durch die Therapie mit Tieren, besonders mit Pferden – das ist doch ein ziemlicher Traumjob für junge Frauen und fühlt sich anfangs bestimmt unerreichbar an…
(Lisa lacht) Tatsächlich habe ich neulich ein altes Freunde-Buch von mir gefunden. Da habe ich im Alter von 12 Jahren reingeschrieben, dass ich gern Reittherapeutin werden würde!
…aber von dem ersten Wunsch an war es noch ein weiter Weg bis zu Deinem Hof in Boxberg/ Zimpel…
Mein ganzes Leben ist so, dass sich die Sachen ergeben. Damals war ich verheiratet, und wir dachten, dass es schon schön wäre, einen Hof zu haben. Und so hat es sich ergeben, dass es dieser Hof geworden ist. Ich wollte keine Nachbarn, eine gute Bausubstanz, eine Fläche, die gut zu bewirtschaften ist – und das fand ich dann auch, mitten im Biosphärenreservat. Vor ein paar Jahren schaute ich diesen Hof im November an. Kein Blatt auf den Bäumen, alles hing in grauem Nebel. "Auf keinen Fall!" dachte ich…aber mit jedem Kilometer, den ich weiter wegfuhr, kamen die Gedanken..."die Linde ist toll…die Häuser auch…das Grundstück…". Dann habe ich es 2019 gekauft. Danach hatte ich etwas mit der Verwaltung zu kämpfen. Dem Bauamt habe ich irgendwann gesagt: „wenn ich ein Mann aus Bonn wäre, würden sie es mir nicht so kompliziert machen“. So habe ich es empfunden, man trat mir gegenüber und hat es mir nicht leicht gemacht!
Kannst Du den Frust, der junge Frauen aus der Region treibt, verstehen? Was müsste sich Deiner Meinung nach ändern?
Ich tu mich schwer damit, den Frust nachzuvollziehen. Veränderung kann nur aus Menschen selbst heraus entstehen. Ich verstehe nicht, dass Menschen Veränderungen von außen erwarten. Ich glaube nicht an „die Umstände müssen sich ändern, damit ich mich ändern kann“. An vielen Stellen wird es, meiner Erfahrung nach, den Jungen schwieriger gemacht, als es ist. Siehe meine Anekdote mit dem Bauamt. Insgesamt wäre es notwendig, den jungen Menschen mehr zu vertrauen und ihre Ideen und Denkansätze zuzulassen. Alte Denkstrukturen sind dominant, man muss jungen Menschen aber die Chancen und auch das Vertrauen geben.
Deine sehr positive Ausstrahlung bleibt dauerhaft im Gedächtnis – Du strahlst dieses „Macherin“ so richtig aus. Was würdest Du jungen Frauen empfehlen, die auch ihren Traum leben wollen?
Ja, es ist zum einen das Machen, und es ist das Dranbleiben. Wenn die Vision klar ist und das Ziel steht, darf man sich nicht abbringen lassen. Es gibt immer Hürden, egal in welcher Region und an welchem Punkt man steht. Eigentlich ist es nicht schwer: wenn wir aufhören, immer nur die Probleme zu wälzen, dann können wir auch unseren Plänen folgen.
Lisas wunderschönes "NICHTS" von oben - die Lichtung, auf der der Workshop "NICHTS (Leere) NUTZEN" stattfindet
Zusammen mit den Macherinnen unseres Innovations-Teams lädst Du im August zu einem Workshop mit dem Titel „NICHTS NUTZEN“ ein. Wie kam es dazu, und wie kamt ihr auf das Konzept?
Die Idee entwickelte sich aus einem Gespräch – was kann passieren, wenn man NICHTS vorgibt? Es gibt bei allem, auch bei Kreativ-Workshops, Regeln, Vorgaben, Strukturen. Es wäre toll, dachte ich, wenn Menschen sich öffnen können, aber in einem ganz freien Rahmen. Bei klassischer Raumentwicklung kommt es selten zu persönlichen Gesprächen, und wenn es um Persönlichkeitsentwicklung geht, haben alle das Gefühl, dass es in die Tiefe gehen muss – man dabei aber keine Ideen entfalten kann. Daher dachten wir: wie toll, wenn wir den Raum – das „NICHTS“, in dem sich alles Mögliche frei entfalten kann, stellen und schauen, was passiert. Wir haben hier ja ganz schön großartiges NICHTS – leeren, freien, tollen Raum und wunderschöne Landschaften. Der wahre Luxus!
Du bietest Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmern noch einen weiteren Luxus an…
Ja, das ist dem ÖPNV im ländlichen Raum geschuldet…da mein Auto den Weg zum Bahnhof Klitten fast schon allein findet, bin ich gerne bereit, alle Mit-Macherinnen und -macher vom Bahnhof abzuholen, denn das schöne Nichts hier ist sonst leider nicht gut zu erreichen…
Danke für das Gespräch, liebe Lisa!
Für alle Interessierten hier die Eckdaten zum Workshop NICHTS NUTZEN:
Manche nennen es "NICHTS".
Wir nennen es "FREIRAUM", und dieser ist angesichts der immer engen und teurer werdenden Ballungsräume weltweit der GROSSE LUXUS.
Und von diesem Luxus haben wir hier bei uns im Landkreis Görlitz viel!
Verschiedenste Nutzungsmöglichkeiten und Entwicklungschancen wollen wir im Workshop "NICHTS (Leere) NUTZEN" zusammen mit euch überlegen, durchdenken, konzipieren. Mit interaktiven Methoden soll/kann dieser Tag auf jeden Fall neue Idee für unsere Heimat bringen - seid dabei!
Meldet euch an und kommt zum Kreativ-Workshop mit den ENO-Innovationsmanagerinnen Saskia Brosius, Clara Hartung und Coach Lisa Kießling.
Wo? Auf einer Waldlichtung in Boxberg/ Zimpel
Wann? Freitag, 19. August von 10 - 16 Uhr - hier geht es zur Veranstaltung zum teilen und liken -
Anmeldung unter:
Wir freuen uns auf Euch!
Viele Grüße von Lisa, Clara, Saskia und Jasna!
Fotos: Lisa Kiessling
Vielen Dank für die Bewertung dieses Beitrags.