Renaturierung? "Wir sind Vorbild"

Renaturierung? "Wir sind Vorbild"

Hallo!

Heute widmen wir uns dem aktuellen Stand einer Wissenschaft, die besonders für unsere Region von Bedeutung ist: der Renaturierung von Bergbaufolgelandschaften.

Die G20 Global Land Initiative (GLI) und die Universität der Vereinten Nationen (UNU-FLORES) veranstalteten vor Kurzem gemeinsam einen viertägigen Workshop u.a. in Weißwasser, der einen umfassenden Überblick über Landschafts-Restaurierung nach dem Bergbau bot. Wir sprachen mit der Sozialwissenschaftlerin Franziska Stölzel, die zu den sozialen Folgen in betroffenen Regionen forscht, über die Erkenntnisse des Workshops, den über 40 internationale Forschende besuchten.

Hallo Franziska! Welche bedeutenden Herausforderungen und Chancen im Bereich der Landschaftsrestaurierung wurden während des Workshops "Post-Mining Landscape Restoration" diskutiert und wie können diese auf internationaler Ebene angegangen werden?

Franziska Stölzel: Im Vordergrund unseres Workshops stand die Forschung des Ressourcen-Nexus – das Forschungsfeld unseres Instituts der Universität der Vereinten Nationen – Institut für integriertes Materialfluss- und Ressourcenmanagement (UNU-FLORES). Daher war der Fokus das Zusammenwirken der einzelnen Ressourcen und der damit einhergehenden Notwendigkeiten, aber auch Möglichkeiten für Tagebaugebiete weltweit. Es wurden verschiedene Techniken der Analyse von Boden und Gestein vorgestellt, die die Grundlage von Rekultivierung bilden. Darauf aufbauend gaben Forschende verschiedener Universitäten, Hochschulen und Institute Vorträge zur Wiederherstellung von Flächen sowie Nutzbarwerdung für verschiedene Zwecke, z.B. Tourismus oder Agrarflächen hielten.

 

Sozialwissenschaftlerin Franziska Stölzel

 

…das hört sich sehr theoretisch an…

Franziska Stölzel: Es gab auch praktische Anwendungsbeispiele wie die Datenerhebung anhand von Drohnen, Möglichkeiten von Vertical Farming auf ehemaligen Bergbauflächen, sichere Lebensmittelversorgung und Boden – sowie Wassermanagement nach Bergbau.

Das große Fachgebiet der Renaturierung ist noch längst nicht ausgeforscht. Die Technologie macht weiter große Fortschritte, die ökologischen Anforderungen wachsen. Welche innovativen Restaurierungstechniken und Ansätze wurden von den Fachleuten während des Workshops vorgestellt, insbesondere in Bezug auf die Integration ökologischer, technologischer und gesellschaftlicher Aspekte? 

Franziska Stölzel: Ein wichtiges Merkmal für ein renaturiertes Ökosystem ist die umfassende Wiederherstellung der Biodiversität. Vortragende erklärten durch Praxisbeispiele, welche Pflanzen am besten für bestimmte Böden geeignet sind, wie man ein Tagebaurestloch flutet – auf was geachtet werden muss, aber auch, wie gefährlich diese Arbeit sein kann. Durch Simulationen kann in Dresden und den Partneruniversitäten in Forschungslaboren genau untersucht werden, welche Gefahren Rutschungen bringen und wie man diese verhindert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich vor allem für die praktischen Beispiele interessiert, die wir durch Exkursionen in der Lausitz z.B. am Bärwalder See  oder dem Findlingspark Nochten, sowie am Turm am Schweren Berg in Weißwasser zeigen konnten. Dafür dienten Themeninhalte wie:

 

Bad Muskau

Den internationalen Forschenden sind Bad Muskau, Weißwasser und die Lausitz nun Begriffe, den sie mit vorbildlicher Gesetzeslage in Bezug auf Tagebau und -rückbau besetzen

 

Wie können die neu erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen aus dem Workshop in praktischen Anwendungen vor Ort umgesetzt werden, insbesondere in Bezug auf die Revitalisierung ehemals degradierter Bergbauflächen?

Franziska Stölzel: Für die meisten Akteure aus dem Globalen Süden ist das Einzigartige an Deutschland, dass es gesetzliche Regelungen gibt. Diese geben vor, dass bereits bei der Planung von Tagebauen geregelt sein muss, wie diese Orte nach der Nutzung wieder renaturiert werden können und dass genügend Ressourcen (vor allem Gelder) vorhanden sind. Die Teilnehmenden waren Wissenschaftlerinnen uns Wissenschaftler aus Universitäten und deren Forschungseinrichtungen, weitere kamen von Nicht-Regierungsorganisationen, aus Klein- und Mittelständischen Unternehmen und aus Ministerien. Daher war der Ausgangspunkt für die meisten Teilnehmenden sehr unterschiedlich. Trotzdem können alle Ihre neuen Erkenntnisse in die Gremien mitnehmen, in denen über Vorgaben und Vorhaben entschieden wird. Die Vorträge dienen den Teilnehmenden als Vorlagen und können weiter genutzt werden. Zusätzlich ist die Netzwerkarbeit bei jeweiligen Veranstaltungen von enormer Bedeutung, die Austausch und Unterstützung fördert.

Gibt es eine zentrale Frage, die alle gleichermaßen beschäftigt?

Franziska Stölzel: Die meisten interessierten sich für die Ressourcenfrage, die nie wirklich geklärt ist. Das ist vor allem schwierig, weil zusätzliches Material verkippt werden muss, nachdem Material entnommen wurde. Für die meisten Unternehmen ist das zu teuer. Es galt also, eine erste Einsicht in mögliche gesetzliche Vorgaben bzw. Anreizsysteme zur Umsetzung dieser zu diskutieren. Es ging auch um das Monitoring nachhaltiger Prozesse, welche nicht nur eine ökologische, sondern auch soziale Komponenten einfließen lassen. Im globalen Süden werden Menschen in Bergbaugebieten vertrieben und kehren in die Gebiete nach völliger Zerstörung zurück. Die Teilnehmenden waren nicht nur aus verschiedenen Ländern, sondern wurden auch interdisziplinär und nach verschiedenen Arbeitsfeldern ausgewählt.

Welche Rolle spielen internationale Kooperationen und interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Bewältigung globaler Umweltprobleme, insbesondere im Kontext der Landschaftsrestaurierung nach dem Bergbau? Und: welche Auswirkungen hat das auf unsere Bergbaufolgelandschaft hier in der Lausitz?

Franziska Stölzel: Für uns als organisierende Institution war es vor allem wichtig, die Teilnehmenden und ihre Problemstellungen in Ihren Regionen hervorzuheben und für diese Orte mögliche Ideen zu sammeln, die von den Expertinnen und Experten stammen, die seit Jahrzehnten an den Themen arbeiten. Natürlich liegt der Fokus bei der Überlegung, wie Best-Praktiken-Beispiele übertragen werden können und welche Ressourcen es braucht, bzw. wie diese angepasst werden müssen an die zu wiederherstellenden Regionen. Zusätzlich ist ein Austausch auf Forschungsebene immer essenziell, da die Entwicklung der Ökosysteme sich nicht nur durch die Umweltprobleme und Klimaveränderungen verschlechtert wird, sondern im Globalen Süden hauptsächlich Menschen betreffen, die bereits unter enormen Einschränkungen leiden. Interdisziplinäre Teams können dabei innovative Lösungen entwickeln, die die vielschichtigen Aspekte der Umweltrestaurierung auf wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Ebene berücksichtigen.

Deutschland spielt dabei eine wichtige Rolle…

Franziska Stölzel: Da Deutschland als in der Planung von Bergbauflächen als Vorbild dient, kann es Inkubator für Rahmenbedingungen sein, welche auf politischer und rechtlicher Ebene des jeweiligen Landes übernommen werden können. In diesem Zuge kam die Frage nach Kooperativen, die Finanzmittelzugänge verbessern und somit den Austausch weiter unterstützen. Ein wichtiger Themenbereich war auch, die zum Prozess notwendigen Arbeiterinnen und Arbeiter auszubilden, Expertinnen, Experten und Praktiker an speziellen Schulen auszubilden und sich an den Lehrplänen anderer Länder diesbezüglich zu orientieren. Natürlich gilt dann auch eine Evaluierung, um eine effektive Planung und Umsetzung zu garantieren und diese weiterzuentwickeln.

Welche Schlüsselerkenntnisse und Perspektiven hast Du aus dem Workshop mitgenommen, und wie könnten diese dazu beitragen, zukünftige Forschungs- und Handlungsstrategien im Bereich der Wiederherstellung degradierter Landschaften zu gestalten?

Ich sehe, dass wir in Deutschland anderen Ländern sehr vieles voraus haben. An sich können wir alle gewiss sein, dass die in der Lausitz genutzten Bergbauflächen wiederhergestellte Areale sein werden, die je nach Idee auch zusätzliche Wirtschaftsmechanismen, Tourismus und Kultur akquirieren. Als Sozialwissenschaftlerin ist für mich persönlich die größte Frage der Wiedernutzbarmachung die Partizipation der Kommunen und Gemeinden, welche in den aktuellen rechtlichen Bestimmungen nicht auftreten. Welche Auswirkungen eine sozial erträgliche Rekultivierung von Flächen tatsächlich bringt, können wir nur beispielhaft an einigen eher kleineren Versuchen, wie in der Tschechischen Republik, erkennen. Dort wurde eine Halde auf Wunsch der Bürgerinnen und Bürger in einen Aussichtspunkt aufgearbeitet. 

Vielen Dank für das interessante Gespräch - wir freuen uns auf eine Fortetzung!

Hier geht es zu weiteren, umfassenden Informationen über die erfolgreiche Renaturierung in der Lausitz.

 

Fotos: Franziska Stölzel, Tine Jurtz / Titelbild: Die Gruppe besucht den Findlingspark Nochten

5.00 von 5 - 1 Bewertungen
Vielen Dank für die Bewertung dieses Beitrags.

 

 

 

ENO logo


Der Unbezahlbarland-Blog ist ein Produkt der ENO mbH

© 2024, Entwicklungsgesellschaft Niederschlesische Oberlausitz mbH

Search