Strukturentwicklung
Erkenntnisse des Revierstammtisches Schule & Strukturwandel
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Schule und Strukturwandel – Wie erreichen wir die Jugend? Ein persönlicher Bericht über den Revierstammtisch der SAS zu einem der wichtigsten Themen in der Strukturwandeldiskussion.
von Jasna Zajček
Seit knapp vier Jahren setze ich mich im Rahmen meiner Tätigkeit für die Taskforce der ENO dafür ein, den Strukturwandel in der Region allen Bürgerinnen und Bürgern des Landkreises Görlitz verständlich und zugänglich zu machen. Wir veröffentlichen Texte, Pressemeldungen, geben Interviews, schalten Anzeigen, berichten in einem eigens dafür geschaffenen Blog fast täglich von den kleinen und den großen Entwicklungen in unserem schönen Landkreis Görlitz, der im Rahmen des Kohleausstiegs vor großen Veränderungen steht. Dabei lege ich großen Wert darauf, die Thematik in einer Sprache zu vermitteln, die alle verstehen, unabhängig von ihrem Vorwissen oder Bildungsgrad. Ebenso legen wir als Team großen Wert darauf, die Chancen, die sich für die Menschen der Region, besonders der Jugend öffnen, zu betonen. Niemand muss heute mehr die Lausitz verlassen (wie es leider in den 1990-er Jahren hieß), um ein gutes Leben zu führen oder überhaupt Arbeit zu finden. Im Gegenteil: wir hier haben neben freien Stellen so Vieles, von dem Städter nur träumen können. Schöne Natur, bezahlbare Mieten, die Chance auf Wohneigentum, Parkplätze und ja - auch gute Arbeitsplätze. Deren Zahl mit der Ansiedlung von großen Forschungseinrichtungen wie dem DZA, Verwaltungsinstitutionen und durch Neugründungen ständig steigt. Nicht umsonst wird der Landkreis Görlitz auch Unbezahlbarland - in Bezug auf die hohe Lebensqualität - genannt.
Wir informieren alle - auch die Jugend
Natürlich publizieren wir unsere Bestrebungen und Erfolge auch in Fachmagazinen wie dem Lausitz Magazin oder der Neuen Lausitz, dem Wirtschaftsmagazin Sachsen und auch in unserem öffentlich einsehbaren Jahresbericht. Aber auch für die Tagespresse wie Lausitzer Rundschau und die Sächsische Zeitung bin ich bei Fragen zu Strukturwandelthemen jederzeit erreichbar, und im Wochenkurier, der mit einer Auflage von 102.000 Exemplaren am weitesten verbreiteten (Wochen-)Zeitung im Landkreis Görlitz, schreibe ich im zweiwöchentlichen Rhythmus nahbar und niedrigschwellig über die Entwicklungen und Förderbescheide, über unsere Bürgerbeteiligungsformate, Workshops, Konferenzen, und am Liebsten natürlich über die "Spatenstiche" - die Momente, in denen bspw. Gemeinden ihre Förderschecks bekommen und die Entwicklung greifbar wird.
Das sind für mein Team bei der Taskforce Strukturwandel der ENO die schönsten Momente, denn einem "Spatenstich" wie z.B. bei der Lausitz-Haltestelle in Kodersdorf, gehen Monate und Jahre der Machbarkeitsüberprüfung, des Studiums von Förderrichtlinien, der langen Besprechungen und Beratungen und schließlich die aufwändige Antragstellung zuvor. Unsere Arbeit ist auf Langfristigkeit angelegt - umso mehr freuen wir uns, wenn es denn mit einem Projekt - dem oft noch das Schmieden neuer Bündnisse, auch keine schnelle Angelegenheit, voransteht - losgeht. Nicht, dass es uns an Arbeit mangelt - trotzdem nehmen sich die engagierten Kolleginnen auch immer wieder die Zeit, in Schulen zu gehen, auf Messen wie dem INISDERTREFF präsent zu sein und bilden sich selbst weiter, um jugendgerecht und niedrigschwellig Lust auf die Veränderungen zu machen.
Hier geht es zur vollständigen Jugendumfrage zum Strukturwandel in der Lausitz
Beim jüngsten, von der SAS veranstalteten "Revierstammtisch im Lausitzer Revier | Thema: Strukturwandel und Schule - passt das?" in der Telux in Weißwasser wurde jedoch erneut deutlich, wie herausfordernd es ist, vor allem die Jugend zu informieren und für dieses wichtige Thema zu sensibilisieren.
Der Stammtisch widmete sich dem Verhältnis von Schule und Strukturwandel – eine äußerst relevante Debatte. Denn während wir einerseits darüber sprechen, wie man Kindern und Jugendlichen den Strukturwandel näherbringen kann, stehen Schulen und Lehrkräfte vor ganz anderen Herausforderungen. Stichwort Lehrermangel - auch wenn unsere Servicestelle Unbezahlbarland dem mit innovativen Maßnahmen beizukommen versucht, ist es noch ein langer Weg.
Viele Teilnehmende des Stammtisches fragten sich, inwieweit die Schulen selbst vom Strukturwandel profitieren könnten. Der Wunsch nach zusätzlicher Unterstützung, insbesondere in Form von personellen und finanziellen Ressourcen, wurde von Lehrenden, und sogar von anwesenden Hort-Erzieherinnen deutlich geäußert. Doch die Realität ist ernüchternd: Die notwendigen Mittel, um den Schulalltag zu entlasten und gleichzeitig innovative Lerninhalte zu diesem Thema, das die gesamte Region noch lange beschäftigen wird, zu vermitteln, sind schlichtweg nicht vorhanden.
Ein zentrales Anliegen des Abends war die Frage, wie wir jungen Menschen klarmachen können, dass der Strukturwandel nicht, wie in den 1990er-Jahren, mit tiefgreifenden Brüchen und negativen Folgen verbunden sein muss. Stattdessen bietet er enorme Chancen, die es zu erkennen und zu nutzen gilt, wie auch Landrat Dr. Stephan Meyer auf dem Podium zu verstehen gab.
Doch wie vermitteln wir diese Perspektive, wenn bereits bei vielen Erwachsenen trotz permanenter Veröffentlichungen und Informationsveranstaltungen zum Thema das Verständnis für die Dimensionen und Potenziale des Strukturwandels fehlt?
Wie der Gewerkschafter Marko Schmidt vom DGB-Projekt „Revierwende“ betonte, wissen laut Umfragen bis zu 90 Prozent der Jugendlichen nicht, was der Begriff „Strukturwandel“ überhaupt bedeutet. Dieses Wissensdefizit ist alarmierend und zeigt, dass wir unsere Informationsarbeit intensivieren müssen.
Dabei gibt es durchaus Projekte und Ansätze, die Jugendliche erreichen könnten. So sind wir von der ENO-Taskforce Strukturwandel bspw. in Schulen gegangen und haben anhand einer Methodenbox über das Thema informieren können. Danach - so das eindeutige Feedback - freuten sich die Schülerinnen und Schüler über den enormen Wissenszugewinn zu diesem wichtigen Thema. Und auf ihre Zukunft in einer der Regionen in Deutschland, in die im Rahmen des Kohleausstiegs viele Milliarden investiert werden und zukunftsträchtig auf Erneuerbare Energien und Forschung gesetzt wird. Im Idealfall werden wir auch noch "Net-Zero-Valley" Modellregion, was noch einmal ganz andere, riesige Chancen für die Wirtschaft und die Arbeitnehmer im Landkreis Görlitz mit sich bringen würde.
Die ENO organisiert im Auftrag des Landkreises mit der Servicestelle Bildung regelmäßig die INSIDERTREFF-Bildungsmesse, erstellt den INSIDER-Atlas und viele weitere Bildungsprodukte und Veranstaltungen, um die Sensibilisierung der Jugend für Ausbildung und ihre eigene Zukunft in der Region, auch unter dem Aspekt des Strukturwandels breiter zu streuen. Doch trotz dieser Bemühungen, wurde besonders von Anwesenden aus dem Lehrbetrieb erwähnt, bliebe der Eindruck bestehen, dass wir alle die jungen Menschen zu selten erreichten. Es fehle oft an den richtigen Zugängen. Die Schulen sind dabei wichtige Partner, aber wie der Leiter des Landau-Gymnasiums in Weißwasser, Mike Brill, betonte, haben sie mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: Lehrermangel, starre Lehrpläne und die Vorbereitung auf zentrale Prüfungen nehmen viel Raum ein. Hier fehlen die Freiräume, um neue Themen wie den Strukturwandel in den Unterricht zu integrieren.
Das ist besonders bedauerlich, denn wie die Stellvertretende Leiterin der Ausbildungsstätte für das Lehramt an Gymnasien, Doris Kästner vom Landesamt für Schule und Bildung Dresden, auf dem Stammtisch betonte, brauchen Kinder und Jugendliche in diesen Zeiten vor allem eines: Zuversicht. Sie sollen das Gefühl haben, dass sie die Zukunft aktiv mitgestalten können. Neugierde, Experimentierfreude und eine offene Fehlerkultur sollten gefördert werden, um sie auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten. Doch das erfordert Zeit, Mut und Flexibilität, und genau das fehlt vielen Schulen aktuell.
Hoffnung und positive Ansätze: besonders der ländliche Raum punktet
Es gibt jedoch auch positive Ansätze: Junge Lehrkräfte, so berichtete Annekathrin Geißler, die selbst Lehrkräfte ausbildet, würden gezielt nach kleineren, auch im Ländlichen gelegenen Schulen suchen. Schulen, an denen sie Gestaltungsspielräume haben und ihre Ideen einbringen können.
Diese Kreativität und Offenheit könnten der Schlüssel sein, um den Strukturwandel als Chance zu begreifen und in den Schulalltag zu integrieren. Doch dafür müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Nur wenn Lehrer unterstützt und entlastet werden, können sie den nötigen Freiraum für innovative Projekte schaffen.
Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligungskonzepte reichen nicht
Eines wurde beim Stammtisch in Weißwasser besonders deutlich: Es gibt bereits zahlreiche Konzepte zur Öffentlichkeitsarbeit und zur Jugendbeteiligung. Doch das allein scheint nicht auszureichen. Wir müssen die jungen Menschen weiterhin und intensiver aktiv einbeziehen, ihnen zuhören und sie spüren lassen, dass ihre Ideen und ihre Zukunft eine zentrale Rolle im Strukturwandel spielen. Unser Bürgerbeteiligungsformat "Lausitz Café" mit seinen abwechslungsreichen Themen und den öffentlich einsehbaren Ergebnissen ist z.B. so ein Format, bei dem jede/r nachvollziehen kann, was aus seinen/ihren Ideen entstehen kann. Wir als Taskforce laden stets auf allen Kanälen - vor allem auch dem jugendrelevanten Instagram - ein und informieren in der Nachlese ausführlich.
Jedoch nur, wenn alle Akteure und Stakeholder den Dialog mit der Jugend intensivieren, können wir verhindern, dass der Wandel an ihnen vorbeigeht - bzw. sie die Entwicklung vor ihrer Haustür nicht einmal mitbekommen. Das war der Tenor aller Diskutierenden in der fast vollbesetzten Telux Hafenstube in Weißwasser.
Die Herausforderung bleibt groß. Aber ich bin überzeugt, dass wir mit einer engagierten, zielgerichteten und vor allem verständlichen Kommunikation viel erreichen können. Es liegt an uns allen – Politik, Schulen, Wirtschaft und Gesellschaft – die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Strukturwandel nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahrgenommen wird. Ich persönlich benutze schon lange und viel lieber das Wort "Strukturentwicklung" als "Wandel", denn bei "Wandel" schwingt nicht nur die schlechte Erinnerung an die 1990-er Jahre und die Machenschaften der Treuhand mit, sondern auch die Kapitulation vor dem Schicksal, dem man sich zu beugen hat. Doch das Gegenteil ist der Fall! In diesem Fall bin ich ausnahmsweise mal Fan von "Framing".
Die Jugend von heute muss sich ermächtigt fühlen, diesen Wandel aktiv mitzugestalten. Nur so werden wir es schaffen, die Region nachhaltig und zukunftsorientiert zu transformieren. Dessen waren sich abschließend alle Experten, Expertinnen und die interessierten Gäste sicher.
Wir bleiben dran - und halten Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden. Sehen wir uns bei unserem 10. Lausitz Café am 10.10. zum Thema: "Gemeinsam mehr erreichen - dein Engagement ist unbezahlbar?" und schreiben Sie uns gern, wenn Sie eigene Ideen zur Entwicklung unsere wunderschönen Region hegen. Und natürlich freue ich mich auch ganz persönlich, falls Sie mit mir über diesen
Viele Grüße!
Ihre