Strukturentwicklung
Schöne digitale Welt?
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Schöne digitale Welt?
Ein Gastbeitrag von Kai Grebasch
Digitale Tourismusmessen, virtuelle Jobbörsen, Zoom-Meetings statt Arbeitsessen – es scheint, als würde die Pandemie uns mit Macht die Digitalisierungsdefizite der Vergangenheit vor Augen führen. Oder besser, unsere eigenen Defizite beim Umgang mit der Digitalisierung, denn ein Großteil dieser digitalen Arbeitsmittel war auch vor Corona schon da. Und trotzdem sind wir für zwei Stunden Beiratssitzung einmal aus der Oberlausitz quer durch den Freistaat gefahren, nur um dann in dieser Sitzung einen Vortrag zu hören und uns unsere Meinung dazu zu sagen. Zack war ein halber Arbeitstag weg. Das geht im virtuellen Arbeitsraum natürlich mit viel weniger Aufwand und effizienter, günstiger und klimafreundlicher ist das virtuelle Meeting allemal. Dass die digitale Welt dann aber doch nicht die Lösung all unserer Zeit- und Mobilitätsprobleme ist, wird klar, wenn es um das Thema Kennenlernen von Businesspartnern oder Netzwerkkontakten geht. Ein Messetag am virtuellen Stand oder "Showroom", wie es da gern heißt, kann eine sehr langatmige Angelegenheit werden, denn in der digitalen Messehalle fällt das Schlendern weg, da kann man schlicht nicht "nur mal ein wenig gucken". Und traut sich dann doch einmal ein neugieriger Gast in den Showroom, entsteht für sie oder ihn beim Betreten des digitalen Raumes oft das peinliche Gefühl, in eine private Kneipenunterhaltung zu platzen. Die Gespräche ersterben, alle gucken gespannt, wer denn da kommt und im Zweifel sucht die irgendwie ertappte Besucherin lieber schnell das Weite bevor sich das eigene Kamerabild aufgebaut hat. Es fühlt sich ein wenig so an, als würden wir uns gerade alle gemeinsam in den örtlichen Gepflogenheiten und Gesprächsritualen eines fremden Landes am anderen Ende der Welt zurecht finden müssen. Irgendwie möchte man gern alles richtig machen und ist dabei so merkwürdig verkrampft, dass einfach keine Stimmung aufkommen will. Manch einer hat nach einem Jahr Videokonferenz noch immer nicht verstanden, was "Jetz ma bitte alle die nich sprechen die Mikros aus" bedeuten soll und jetzt baut man ganze Messelandschaften in die Cloud. Gruselig..... Mit Bangen denken viele schon heute "wenn das jetzt die Zukunft sein soll, dann will ich lieber wieder altmodisch sein". Also schnell die Pandemie überstehen und dann das ganze virtuelle Zeug wieder einstampfen? Ich denke, das wäre der ganz falsche Weg. Die Zeit der Faxgeräte ist vorbei und das ist auch gut so. Viel besser ist es für uns heute, der aktuellen Extremsituation offen zu begegnen, alles mitzumachen, zu probieren, ganz genau zu beobachten, was uns weiter bringt und was uns eher ausbremst. Und dann wenn wir zurück kehren in eine normale Welt mit realen sozialen Kontakten mit Messen und Jobbörsen und Arbeitsessen, sollten wir die positiven Erfahrungen aus dieser nur-digitalen Zeit mit der altbekannten Welt verknüpfen. Müssen wir uns wirklich treffen, oder geht auch ein schnelles Meeting im virtuellen Raum? Kann ich den tollen Fachvortrag am Dienstagabend in Düsseldorf nicht auch hören, ohne dort hin zu fahren? Gerade für uns hier abseits der großen Zentren eröffnet die digitale Welt ganz neue Möglichkeiten. Wir alle fragen uns zukünftig hoffentlich: Können wir die Reichweite qualitativ hochwertiger Inhalte mit unseren digitalen Möglichkeiten erhöhen? Hybrid-Veranstaltungen werden die Zukunft sein, davon bin ich überzeugt. Und ausschließlich digital wird auf Dauer nicht funktionieren, davon bin ich inzwischen auch überzeugt.