Unbezahlbarland
Bürgerbeteiligung zur Zukunft des Landkreises neu gedacht
- Unbezahlbarland
- Zugriffe: 2336
Hallo!
Das sich im ehemaligen Kaufhaus Totschek auf der Steinstraße in Görlitz etwas tut, fällt auf. Seite Ende letzten Jahres heißt das Kaufhaus „Kaufhaus der Innovationen“. Plötzlich prangt der Schriftzug „Grantiro“ an den Schaufenstern, und dahinter empfangen zwei Experten, der umtriebige Innovationsmanager Christoph Scholze und Dr. Johannes Sauerwein jede und jeden, die oder der über neue Ideen für den Landkreis Görlitz sprechen möchte.
Und die beiden sprechen Einladungen aus: hinterlassen könnt ihr eure grundsätzliche Bereitschaft im Prozess mitzutun. Oder aber ihr äußert eure Ideen (auch digital möglich), die Ihr schon länger mit Euch herumtragt. Ihr könnt Euch aber auch für „Kreativitäts-Interviews“ anmelden. Geplant ist weiterhin ein großer digitaler Innovations-Workshop, der am 28.2. und am 1.3. stattfindet – eben moderne Formate der Bürgerbeteiligung für alle, ausgeführt im Auftrag des Landkreises Görlitz - zu denen sich jeder und jede bei Interesse anmelden kann. Alle, die sich anmelden, werden über die Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten!
Die Überlegungen der beiden laufen immer unter den Vorzeichen: wie können wir den Kohleausstieg gemeinsam stemmen, um den Landkreis (nicht erst ab) 2038 (oder sogar schon 2030) zukunftsfit, „enkeltauglich“, also – lebenswert und auch wirtschaftlich interessant zu halten? An dem ganzen Prozess ist Christophs Kollege Johannes maßgeblich beteiligt. Heute stellen wir den Neu-Görlitzer aus einer Kaufmannsfamilie aus dem Tanus (er selbst kommt aus Heidelberg) vor.
Dr. Johannes Sauerwein studierte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und an der SRH Hochschule Heidelberg u. a. BWL und Philosophie und promovierte an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Er widmet sich seit 2015 als Ökonom sozialen Fragestellungen in Transformationsprozessen. Seine Freizeit verbringt er mit Florcross im Sportzentrum Flora (NSAC e. V. Görlitz), mit Familie, Freunden und Hunden und liest gerne. Zudem engagiert er sich in sozialen Projekten. Die Menschen im Landkreis Görlitz findet er toll, denn sie seien ehrlich und hilfsbereit, erklärt Johannes.
Johannes, seit Ende November 2021 sieht man u.a. Dich und Christoph Scholze im neuen Ladenbüro auf der Steinstraße in Görlitz. Einige haben das Büro jetzt als Anlaufpunkt für die Alstom-Kampagne zum Erhalt des Standortes kennengelernt. Allerdings bist Du für Grantiro nach Görlitz zu kommen, um „den Landkreis unternehmerisch zu denken“. Kannst Du kurz skizzieren, worum es geht?
Wir leben im Zeitalter disruptiver Technologien, der „Vierten Industriellen Revolution“. Was die Bürger im Landkreis Görlitz heute besorgt und umtreibt, ist der Kohleausstieg und damit die Gefährdung von Tausenden Arbeitsstellen. Heutzutage ist im Fluss der Disruption eine “Neue Normalität” (Digitalisierung, Globalisierung, CO2-Neutralität etc.) entstanden. Um meine Überzeugung ist: neue sozial-ökologische Megatrends und Technologien verheißen auch unbedingt Chancen für Veränderungen im Landkreis. Und damit auch für die Menschen hier. Dazu müssen wir den Landkreis in Gänze unternehmerisch denken.
Wie können wir die vorhandene industrielle und wissenschaftliche Kompetenz, die unzähligen Schlüsselkompetenzen, das Fachwissen und das Engagement der Menschen, die Einzigartigkeit des Dreiländer-Ecks so (neu-)kombinieren, dass ein Fortschritt für alle entsteht?
Das verstehe ich unter „unternehmerisch“: alle Bürger und Ideen einbinden, keine Chancen übersehen, heute schon Antworten auf die Fragen von morgen geben, die Freude am Gestalten. Kreativität ist das, was ich einsetze, wenn ich vorher nicht weiß, was dabei rauskommt. Diese Kreativität der Bürger, dieses kreative Engagement aus dem Landkreis brauchen wir. Dazu führen wir einen Innovationsprozess im Landkreis Görlitz durch. Das ist eine neue und etwas andere Form der Bürgerbeteiligung: wir suchen die kreativen Bürger im Landkreis Görlitz, die Menschen im Landkreis mit besonderer Sozialkompetenz, mit besonderen Hobbies und besonderem Engagement; einfach alle Menschen, die sich einbringen möchten, die die Zukunft des Landkreises Görlitz gestalten werden.
Gibt es einen Menschenschlag, der besonders für diesen Prozess geeignet ist? Nicht jeder hat studiert…
Meine Erfahrung aus Innovationsprozessen in der Vergangenheit hat mich gelehrt: Kreativität steht nicht in Zusammenhang mit Ausbildung, Bildungsgrad und Arbeitsposition – kreatives Denkvermögen ist wild verteilt. Und es sind die Erfahrungen und Ideen der betroffenen Menschen, die Innovationen hervorbringen. Und es ist der Respekt vor den Lebensleistungen der betroffenen Menschen, den es braucht, um Vertrauen in eine Transformation zu erzeugen.
Das heißt, jede Bürgerin und jeder Bürger ist bei euch willkommen, um durch gezielte Techniken die so sehr gewünschten „neuen Ideen“ für den Landkreis Görlitz zu erarbeiten? Kann man einfach so bei euch hereinspazieren – oder sich auch gezielt schulen lassen, um auf professionellem Niveau so richtig bei der Innovation mitzumachen?
Jeder ist willkommen, jedem steht unsere Tür immer offen. Wir haben unter anderem ein spezielles Kreativitätsinterview entwickelt, das wissenschaftlich fundiert (beruht auf psychologischen Studien und Verfahren) und praxiserprobt das kreative Denkvermögen sowie spezielle Persönlichkeitsmerkmale erfragt. Das Kreativitätsinterview ist unsere Eintrittskarte in die Innovations-Werkstätten. Die kreativsten Bürger arbeiten an Ideen, aber wir brauchen alle Menschen, um die Ideen weiterzuentwickeln, zu bewerten und schließlich umzusetzen. Dazu schulen wir je nach Projektphase die Menschen in Kreativitätstechniken. Aber auch in der Erstellung von Businessplänen, in der Validierung von Konzepten, in der Durchführung von Testungen (Befragungen, Prototypen etc.) und in Präsentationstechniken. Du siehst – wir brauchen für unseren Innovationsprozess alle engagierten Menschen. Denn es ist ihre Heimat, die für die Zukunft gestaltet wird!
Die Innovation bzw. Transformation einer Region kann nur dann dauerhaft funktionieren, wenn sie von allen Seiten akzeptiert wird. Nicht nur die wirtschaftliche Machbarkeit, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz ist dabei eine notwendige Bedingung. Der innovative Funke einer Region zündet sich aus den Biographien seiner Bürger.
Kannst Du uns erklären, was da am 28.2. und am 1.3. passieren wird? Und was geschieht mit Ideen, die man als brauchbar, durchführungswürdig oder sogar exzellent einstuft?
Leider muss die Innovations-Werkstatt #2 coronabedingt digital durchgeführt werden. Daher sind wir kreativ geworden, um die Teilnehmer zu überraschen – die Innovations-Werkstatt wird auch Unerwartetes beinhalten, deshalb kann ich an dieser Stelle nur einen kurzen Überblick gewähren. Die kreativen Bürger werden zusammen mit Impulsgebern (aus verschiedensten Wissensbereichen, wie z. B. Theologie, Architektur, Social Media etc.) spielerisch in Innovationstechniken geschult. Ziel ist es, dass jeder Teilnehmer zu jedem Zeitpunkt seine Ideen sprudeln lässt.
Diese Ideen werden wiederum durch Techniken u. a. im Design Thinking weiterentwickelt und in umgeordneten Reihenfolgen durchdacht. Wir werden so innerhalb von zwei Tagen aus einer dreistelligen Anzahl von Ideen einige ausformulierte Top-Ideen entwickeln. Die besten Ideen (die Teilnehmer nehmen die Endbewertung vor) werden im Anschluss an die Innovations-Werkstatt aufbereitet und in die Präsenz-Werkstatt ab Frühjahr überführt. Dann werden die Teilnehmer in die Lage versetzt, die Ideen so weit zu konkretisieren und zu testen, dass durch die Unterstützung unserer Partner (u. a. Deloitte Deutschland) validierte Businesspläne entstehen, um die Ideen schließlich in die Realität umzusetzen.
Wir sind gespannt - und machen mit.
Und ihr?
Viele Grüße -
eure
Jasna
Vielen Dank für die Bewertung dieses Beitrags.